Ökonomen warnen vor erheblichen wirtschaftlichen Folgen, falls iranische Streitkräfte die für den Öltransport wichtige Straße von Hormus blockieren sollten. Der Ölpreis für die Nordseesorte Brent könne dann binnen kurzer Zeit auf 120 Dollar pro Barrel (159 Liter) klettern, erklären die Ökonomen Robin Winkler und Marc Schattenberg von Deutsche Bank Research in einer am Montag veröffentlichten Kundennotiz. In Deutschland und der Eurozone würde ein Anstieg dieser Größenordnung die Einfuhrkosten um etwa ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen. Das lasse auch die Inflationsrate kurzfristig um etwa einen Prozentpunkt steigen. »Die derzeitige Konjunkturerholung würde abbrechen«, warnen die beiden Experten.
Derzeit kostet Öl der Sorte Brent 81,40 Dollar pro Barrel. Angesichts der zunehmenden Versorgungsängste hatte sich der Preis zu Wochenbeginn um 5,7 Prozent erhöht. Auch der Preis für europäisches Erdgas ist nach dem US-Angriff auf Iran zunächst deutlich gestiegen, gab anschließend allerdings wieder nach. Die Notierung stand zuletzt bei 41,53 Euro. Das sind immer noch etwa anderthalb Prozent mehr als am Freitag.
Europa und Asien stärker betroffen als die USA
Die USA hatten am Wochenende iranische Atomanlagen angegriffen. Teheran könnte als Reaktion die Straße von Hormus blockieren: Durch die Meerenge entlang der Südküste Irans werden etwa 19 Millionen Barrel Öl täglich transportiert.
Für Volkswirtschaften in Europa und Asien bedeute ein Ölpreisschock einen stärkeren konjunkturellen Gegenwind als für die USA, die seit einem Jahrzehnt ein Nettoölexporteur sind. »Doch auch in den USA würde die Inflation in diesem Risikoszenario wieder spürbar anziehen«, betonten Winkler und Schattenberg.
Die Auswirkungen eines höheren Ölpreises auf die Weltwirtschaft dürften davon abhängen, wie lange der Rohstoff so teuer bleibt. »Sollten die Preise nur für einige Tage oder auch ein paar Wochen auf dem erhöhten Niveau bleiben und sich der Markt dann beruhigen, wäre die Weltwirtschaft vermutlich ausreichend resilient und würde in der Lage sein, mit dem derzeit moderaten Wachstum fortzufahren«, sagte der Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia. »Hält der Energiepreisschock jedoch ein halbes Jahr oder länger an, ist mit einer globalen Stagflation oder gar Rezession zu rechnen.«
Ein Energiepreisschock dürfte die Zentralbanken vor erhebliche Herausforderungen stellen. Selbst wenn dieses Ereignis die USA und die Eurozone in eine Rezession führen würde, dürften die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen nur geringfügig senken, »aus Furcht davor, dass sie an Glaubwürdigkeit beim Kampf gegen die Inflation verlieren«, sagte de la Rubia.