Die deutschen Tarifbeschäftigten haben in den vergangenen Jahren seltener gestreikt als viele andere Europäer. Das besagt der europäische Tarifbericht der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Demzufolge gibt es in Deutschland eine jährliche Ausfallzeit von 21 Tagen auf 1000 Beschäftigte gerechnet. Die Bundesrepublik befindet sich damit im Mittelfeld der Auswertung.
Wesentlich öfter streiken dafür die Beschäftigten in Belgien und Frankreich. Dort sind etwa fünfmal so viele Arbeitstage ausgefallen.
Mehr Streik in Spanien, weniger in Schweden
Umgerechnet streiken im Schnitt die Beschäftigten in Deutschland pro Jahr lediglich rund zehn Minuten. In Ländern wie Finnland, Zypern und Spanien sind die Arbeitsniederlegungen laut der Erhebung deutlich ausgeprägter. Deutlich weniger Streiktage verzeichnen dagegen Schweden, wo auf 1000 Beschäftigte nur ein Ausfalltag kommt, sowie Österreich und Ungarn mit jeweils vier Ausfalltagen pro 1000 Beschäftigte.
Laut der Studie stand als Hauptgrund der Kampf um höhere Gehälter infolge der deutlich angestiegenen Inflation im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen. Durchschnittlich haben die Gewerkschaften in der Eurozone im Jahr 2024 Lohnsteigerungen von 4,5 Prozent durchgesetzt. Das bedeutet eine Reallohnsteigerung von 2,1 Prozent. In Deutschland wurden mit 5,4 Prozent nominal und 2,8 Prozent real leicht überdurchschnittliche Steigerungen erreicht. Stärker stiegen die Löhne unter anderem in Österreich, Portugal und der Slowakei.
Ausgehend vom Jahr 2020 sehen die Studienautoren flächendeckende Reallohnverluste in Europa. Lediglich in Portugal seien die Gehälter in diesem Zeitraum stärker gestiegen als die Verbraucherpreise. In Deutschland lägen die realen Tariflöhne noch knapp fünf Prozent unter dem Startniveau.
Laut den Autoren gingen die Debatten über eine Einschränkung des Streikrechts in Deutschland an der Realität vorbei. Weder sei das Streikvolumen besonders hoch noch das Streikrecht besonders liberal.